Neue Zürcher Zeitung
Gastkommentar von Verena Vonarburg
Niemand weiss so viel über uns wie Swisscom, die zu 51 Prozent der Eidgenossenschaft gehört. Wo wir uns mit dem Handy befinden, was wir mailen, welche Websites wir besuchen, was wir wie lange am Fernsehen schauen: Swisscom ist im Bild. Sie verfügt über Datensätze wie kein anderes Unternehmen in der Schweiz, auch nicht die grossen Internationalen wie Google, Facebook oder Amazon. Dieses kostbare digitale Wissen will Swisscom mit der ebenfalls staatsnahen SRG und dem Medienhaus Ringier, einem der grössten hierzulande, in Werbeeinnahmen ummünzen. Die drei planen, die gesamte Werbung in einer neuen Firma zusammen vermarkten zu lassen.
Hier droht Wettbewerbsverzerrung. Logisch: Die werberische Zukunft liegt im präzisen Wissen, wie und wo das Publikum treffsicher individuell zu erreichen ist. Stellt Swisscom ihre digitalen Daten jedoch nur der SRG und Ringier zur Verfügung, so werden diese willkürlich privilegiert. Indem die neue Firma Werbemöglichkeiten in Fernsehen, Print und Online gebündelt anbieten kann, partizipiert die überwiegend gebührenfinanzierte SRG indirekt auch an der Online-Werbung; dabei hat der Bundesrat ihr diese eigentlich untersagt.
Es ist zudem zu befürchten, dass die SRG ihre Fernsehbeiträge den Geschäftspartnern der neuen Firma für deren News-Auftritte zur Verfügung stellen könnte. Wir vom Verband Schweizer Medien (VSM), Vertreter der grossen und kleinen privaten Medienhäuser, setzen uns dafür ein, dass alle traditionellen und neuen Medienanbieter die SRG-Videos zu gleichen Konditionen weiterverbreiten können.
Die Wettbewerbskommission (Weko) prüft zurzeit das Joint-Venture-Vorhaben der drei grossen Player, und das Bundesamt für Kommunikation untersucht, ob die SRG damit den Entfaltungsspielraum anderer Medienunternehmen erheblich beschränkt. Wir sind der Überzeugung, dieser Zusammenschluss sei zu untersagen oder aber mit klaren Auflagen zu versehen, die einen funktionierenden Wettbewerb und den Gleichbehandlungsgrundsatz der privaten Medienhäuser gewährleisten. Denn Dritte dürfen in keiner Art diskriminiert werden, es ist ein Modell anzustreben, das der ganzen Branche neue Chancen eröffnet.
Selbstverständlich haben auch staatsnahe Unternehmen die Pflicht und die Aufgabe, sich innovativ zu entwickeln – das jedoch in klar und eng abgesteckten Grenzen. Staatsnähe und
entsprechende finanzielle Macht und Sicherheit dürfen kein Vorteil sein auf Kosten privater Anbieter.
Swisscom muss ihren Datenschatz auch Dritten zur Verfügung stellen. Gute Lösungen für die gesamte Medienbranche sind gefordert, um den Strukturwandel zu erleichtern. Die SRG wiederum ist durch die Bundesverfassung zur Rücksichtnahme auf die Presse verpflichtet.
Gerade auch vor dem Hintergrund der digitalen Revolution, die die Medien gewaltig herausfordert, hat der öffentliche Sender ein Programm zu produzieren, das sich auf die demokratiepolitische Essenz und den Zusammenhalt des Landes besinnt, statt Privates zu kopieren und damit zu konkurrenzieren.
Dafür benötigt die SRG nicht jährlich mehr Einnahmen, wie dies heute der Fall ist. Steigen ihre Erträge dauernd, während jene der Privaten sinken, wird die SRG in der Medienlandschaft zu einer Bedrohung. Die SRG setzt ihre erheblichen (Mehr-)Einnahmen nicht zuletzt im Online-Bereich ein. Gerade im Online trifft die SRG aber direkt auf die Privaten, die ihr Angebot ohne gesicherte Gebühreneinnahmen mit Werbung und Abos finanzieren müssen. Besinnt sie sich auf ihren Service-public-Auftrag, ist sie auch nicht auf Werbung angewiesen. Der Verband Schweizer Medien hat sich allerdings nie für ein totales Werbeverbot ausgesprochen.
Wo gewinnbringende und zukunftsfähige Zusammenarbeit zwischen Öffentlichen und Privaten zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger möglich ist, sind wir offen, interessiert und zu Gesprächen bereit. Es gibt Beispiele, die sich bewährt haben, beispielsweise das Medienausbildungszentrum (MAZ) in Luzern oder die Schweizerische Depeschenagentur (SDA).
Es geht also darum, überzeugende Kooperationsmöglichkeiten zu finden. Dazu hat der VSM ein Forschungsprojekt initiiert, das mögliche Vorbilder in vergleichbaren europäischen Staaten identifizieren und herausfinden will, was in der Schweiz umgesetzt werden könnte. Kooperationen können die für eine Demokratie essenzielle Medienvielfalt und die Position privater Medienunternehmen in der Schweiz stärken. Und andererseits den Nutzen jener Service-public-Inhalte steigern, die von der SRG mit öffentlichen Geldern produziert werden. So würde Staatsnähe nicht zur Gefahr für die Privaten.
© Neue Zürcher Zeitung; 02.09.2015
Verena Vonarburg ist Direktorin des Verbandes Schweizer Medien.