Anpassung des Erbrechts

  14. März 2016

Der Bundesrat will das Erbrecht (entsprechend europäischen Trends) modernisieren und anpassen. Er schlägt unter anderem vor, die Pflichtteilsquoten zu senken, damit auf den Tod hin freier über das Vermögen verfügt werden kann. ErblasserInnen könnten so beispielsweise den Ehepartner bzw. die Ehepartnerin, einzelne Kinder oder Dritte stärker begünstigen. Zudem beabsichtigt die Vorlage eine Erleichterung der Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen.

Der Bundesrat hat die Vernehmlassung dazu eröffnet. Sie läuft bis zum 20. Juni 2016. 

Der VSM begrüsst die Reduktion der Pflichtteile. Denn heute ist der Erblasser bei der Nachlassplanung erheblich beschränkt. 

Beispiel zur Veranschaulichung

Herr X, verheiratet, drei Kinder, dessen Y Verlags AG VSM-Mitglied ist, besitzt ausschliesslich ein durch die Ehegatten gemeinsam erarbeitetes Vermögen und zwar wie folgt (nachfolgend alle Zahlen in CHF): Wohnliegenschaft 2.4 Mio. belastet mit Hypothekarkredit 600 000.-, Ferienwohnung 700 000.- hypothekenfrei, Wertschriften/Bankguthaben 400 000.-, Y Verlags AG Unternehmungswert 1.6 Mio. Somit: Vermögen total (Hypothekarkredit abgezogen) 4 500 000.-.

Sohn 2 arbeitet in der Y Verlags AG und möchte diese dereinst übernehmen und weiterführen. 

a.    Situation laut geltendem Recht

Aus Ehegüterrecht erhält die Gattin bei Ableben von Ehemann X 50% des Vermögens, also 
2 250 000.-, die nicht zur Erbschaft gehören. 
Die andere Hälfte des Vermögens, ebenfalls 2 250 000.- bilden den Nachlass (Erbschaft) von X. 

Will X den Sohn 2, der die Nachfolge antreten soll, testamentarisch maximal begünstigen, so kann er ihm unter derzeitigem Erbrecht höchstens 1 125 000.- zukommen lassen (12/24 des Nachlasses). Aber, um die Y Verlags AG übernehmen zu können, muss Sohn 2 aus eigenen Mitteln oder durch Kreditaufnahme 475 000.- zwecks Auszahlung der Miterben aufbringen. Besitzt Sohn 2 keine ausreichenden Eigenmittel bzw. bekommt er keinen Kredit und stunden ihm seine Mutter und die Geschwister die 475 000.- nicht, so lässt sich ein Verkauf der Unternehmung wohl kaum vermeiden. Dieses ungünstige Resultat kann mit der vom Bundesrat beantragten erweiterten Verfügungsfreiheit ausgeschlossen werden. Heute wäre dies nur durch einen von allen Beteiligten genehmigten notariellen Teilerbverzicht möglich.

b.    Situation laut Vorschlägen des Bundesrates

Unter dem vorgeschlagenen neuen Erbrecht könnten durch einfaches handschriftliches Testament zu Gunsten Sohn 2 total 1 593 750.- verfügt werden (17/24 statt wie vorangehend 12/24), also die für die Übernahme des Betriebes benötigten 1.6 Mio.

Weiteres

Der Bundesrat legt in seinen Vorschlägen überdies besonderen Wert, auch den seit 1907 (Inkrafttreten des ZGB) veränderten Partnerschaftsformen finanziell Rechnung zu tragen.

Ob und inwieweit das Parlament den bundesrätlichen Vorschlägen folgen wird, wird sich zeigen. Als Verband eines durchaus noch von familiären KMU geprägten Mitgliederspektrums begrüssen wir die anvisierte Liberalisierung und werden uns entsprechend vernehmen lassen bzw. der Vernehmlassung eines Partnerverbandes anschliessen. 

Eine den anglo-amerikanisch geprägten Rechtsordnungen entsprechende gänzliche Abschaffung der Pflichtteile, die von Juristen auch zur Diskussion gestellt wird, stehen wir kritisch gegenüber. Einen gewissen Familienschutz halten wir für richtig.