Podiumsdiskussion Service Public - Fachverein Publi.kum UZH

  28. April 2016
Podiumsdiskussion Service Public - Fachverein Publi.kum UZH

Über 200 Personen waren an der Publi.kum- Podiumsdiskussion zum Thema Service Public, anwesend. Das neue Eventformat des Fachvereins Publizistik und Kommunikation der Universität Zürich war für die Organisatoren ein voller Erfolg. Im Zentrum der Podiumsdiskussion stand ein Thema, welches wiederholt Anklang in der Gesellschaft findet: Die öffentlichen Medien, ihr Auftrag und ihre Ziele. Vor allem das junge Publikum findet das Angebot der öffentlichen Medien zwar nicht grundsätzlich schlecht, nutzt es jedoch unterdurchschnittlich oder wenn, dann vor allem über Plattformen von Drittanbietern.

Mit dem Leitgedanken „gewollt und doch ungenutzt“ diskutiert Nick Lüthi (Redaktor Medienwoche) mit den Gästen des Abends über das Thema des Service Public. Roger De Weck (Generaldirektor SRG), Hanspeter Lebrument (Präsident Verband Schweizer Medien), sowie Prof. Dr. Gabriele Siegert (Professorin IPMZ und Mitglied EMEK), elaborieren ihre Gedanken aus drei ganz unterschiedlichen Perspekiven. Zudem wird das Publikum vor Ort und zu Hause interaktiv via Twitter ins Geschehen eingebunden.

Situation Service Public

Zu Beginn werden die Standpunkte der drei Diskussanten geklärt. De Weck hält direkt fest „die No Billag Initiative hat nicht den Hauch einer Chance“, woraufhin Lebrument erklärt, dass Somedia nichts mit der Initiative zu tun habe. Er findet, die Gewichte hätten sich falsch entwickelt. Die SRG habe ein Medienbudget, welches doppelt so gross ist, als jenes von Privaten, was die SRG zu einem Koloss im Schweizer Medienmarkt macht.

Die Vergangenheit zeige tatsächlich, so Siegert, dass die SRG gewachsen und das dadurch entstandene Gewicht durchaus gross für einen kleinen Markt wie jenen der Schweiz ist. Siegert wirft dazu die Frage auf: "Wenn die SRG kleiner werden würde, würden dann nicht andere Anbieter wie beispielsweise Social Media, RTL oder SAT 1 in diese Lücke einspringen? Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Formate, vor bereits vorhandenen, in die Lücke einspringen, ist gross." De Weck erklärt, worauf die Grösse der SRG zu gründen ist. Denn man darf nicht vergessen, dass die Schweiz ein viersprachiges Land und das Medienhaus entsprechend dafür verantwortlich ist, ein gleichwertiges Angebot in allen Sprachen bereitzustellen. Mit seinen Worten verweist er zwar auf den Leistungsauftrag der öffentlichen Medien, erwähnt aber auch, dass die SRG viel kleiner wäre, würde sie in lediglich einer Sprache arbeiten. Im Vergleich zu anderen Ländern, wäre das Angebot der SRG sogar eher kleiner.

Für die vorherrschende Medienkonzentration in der Schweiz ist jedoch nicht nur die SRG verantwortlich. Lebrument sieht hier den Einfluss der Politik als entscheidend, Siegert jedoch schätzt jenen der Ökonomie als stärker ein. Aus unternehmerischer Perspektive mache es mehr Sinn, Inhouse zu produzieren, um die Kosten gleichermassen auf unterschiedliche Medienangebote aufzuteilen. Die Aufbereitung bestimmter Themen könne so für unterschiedliche Kanäle, wie regionales Fernsehen oder Zeitung gebraucht werden, um die Kosten aufzuteilen. Daraus resultiert, dass es scheinbar profitabler ist, einen Grosskonzern zu führen. Die Konzentration liegt also im Markt und ist nach Siegert auch ökonomisch sinnvoll. Die Existenz vieler kleiner Anbieter bedeute schliesslich nicht, viele unabhängige Meinungen zu haben. Ein Medienunternehmen brauche sogar eine gewisse Grösse, um überhaupt unabhängig agieren zu können.

Mit Journalismus Geld verdienen

Wo früher Werbung ein beträchtliches Angebot an Journalismus finanziert hat, ist es heute schwierig geworden, mit gutem Journalismus überhaupt Geld zu verdienen. Das führe dazu, so De Weck, dass Medienhäuser zu sparen begonnen haben und einzelne sogar aus dem Markt ausgestiegen sind. Um guten Journalismus und die Angebotsvielfalt zu finanzieren, erhält die SRG Gebühren. So können auch Angebote unterstützt werden, die der Meinungsbildung dienen, so Siegert. De Weck spricht das Problem an, dass man in einem audiovisuellen Zeitalter fast nur Geld verlieren kann, was der Grund für ein öffentliches Medienhaus sei. Wenn wir eine „ich zahle nur, was ich nutze“ Schweiz wären, so könne sich das Medienangebot in der Schweiz nicht finanzieren und wäre daher wesentlich schlechter.

Es stellt sich also die Frage, wie das Medienangebot zusätzlich finanziert werden kann. Hier spielt natürlich die Werbung eine grosse Rolle. Doch welche Werbeformate werden denn heute überhaupt noch von den Nutzern akzeptiert?

Siegert erwähnt, dass in Bezug auf Onlinewerbung vor allem AdBlocker ein Problem für Verlage und Medienhäuser darstellen. Man könnte sogar sagen, dass AdBlocking gar nichts neues sei. Früher wurde bereits weggeschaltet oder überblättert. Heutzutage liegt der der Unterschied dazu darin, dass man messen kann, wie viele Nutzer die Werbung verweigern.

Wir sollten uns alle an die Nase fassen. Wir wollen gute Inhalte, wir wollen möglichst wenig oder nichts dafür bezahlen und dann akzeptieren wir nicht einmal mehr Werbung, die einzige Finanzierungsquelle? Wo soll dann das Geld herkommen? - G. Siegert

Ein Angebot nur mit Werbung zu finanzieren findet De Weck schwierig, weswegen er auf Mischfinanzierung setzt. Hier erwähnt Lüthi das Joint Venture SRG/Swisscom/Ringier und erkundigt sich nach den Meinung der Gäste. Der Zusammenschluss solch unterschiedlich verfasster Organisationen, so Siegert, kann den Markt durchaus beeinflussen. Es wird sich noch herausstellen, wie es funktionieren kann, dass Gebühren nicht dazu verwendet werden, um quer zu subventionieren.

Die Art und Weise, wie die Organisationen zusammengesetzt sind, findet Siegert auch nicht ganz unproblematisch und fragt nach der Meinung von Lebrument, der mit „Ich habe das Gefühl, dass man den Karren zu fest belegt. Es gibt auch den Begriff des Gegenvorschlages“ antwortet. De Weck wiederum sagt: "Nur gemeinsam bestehen wir die Herausforderung der Globalisierung und Digitalisierung. Wir sind im digitalen Zeitalter, wenn man da 6 Monate zu spät kommt, ist der Zug schon abgefahren. Wenn wir im digitalen Zeitalter Stillstand haben, sind wir tot."

Was macht die SRG, um die Jugendlichen wieder mehr anzusprechen?

Jeder hat andere Präferenzen und nutzt daher unterschiedliche Angebote. Nach Siegert setzen wir unsere Medienmenüs so zusammen, wie wir das wollen. Dies ergibt sich daraus, dass sich unsere Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse in den verschiedenen Lebensabschnitten unterscheiden. Jugendliche haben eher Bedürfnisse, die über Social Media abgedeckt sind. Hierbei geht es weniger darum, die neusten Informationen über die Welt zu erfahren, sondern vielmehr darum mit seiner Peergroup in Kontakt zu bleiben. Informationsbedürfnisse entwickeln sich erst im Laufe eines Lebens. Deswegen könne man 14-Jährigen keinen Vorwurf machen, dass sie sich keine Gedanken um das Weltgeschehen machen. Zudem ist bei diesen Überlegungen egal, über welchen Kanal ein Nutzer das Medium rezipiert. Der Verbreitungsweg an sich ist wichtig und dieser ist gegeben. Zum Teil werden schliesslich auch klassische Medien rezipiert, jedoch eben über Social Media. Oft denken die Nutzer nicht einmal daran, dass Informationen von einem Schweizer Medienhaus stammen, meint De Weck.

Aus der Alterspyramide, welche mehr alte als junge Menschen beschreibt, kann man schlussfolgern, dass weniger Angebote verkauft werden, wenn man sich an Jugendliche wendet, als wenn man sich an ältere Menschen wendet. Mir ist es egal, welcher Kanal genutzt wird, Hauptsache die Angebote werden genutzt. Ich gehe davon aus, dass demnächst, und vor allem von den Jungen, Medienangebote hauptsächlich über die Sozialen Medien genutzt werden. - R. De Weck

Service Public im Zeitalter des Internets – was wünscht sich das Publikum?

Die Studie „World Internet Project – Switzerland“ hat gezeigt, dass Jugendliche in Zeiten des Internets den Service Public zwar als wichtig erachten, ihn aber nicht nutzen. Das Publikum wird mit der Frage addressiert, was denn von der SRG gewünscht werde, um das Angebot attraktiver zu gestalten.

"Mehr Randsportarten und vielleicht mehr Spiele, die übertragen werden." De Weck: Dieses Problem haben wir erkannt und haben einen 3 Jährigen Piloten. Beispielsweise stellen wir die besten Handball und Unihockey Spiele gratis ins Netz.

"Gerade bei politischen Diskussionen ist es wichtig, dass das Publikum mitsprechen kann. Warum gibt es bei der Arena nicht auch so etwas?" De Weck: Seit ein paar Sendungen wird das Publikum mehr eingebunden. Es gibt das logistische Problem, dass die Sendung nicht live ausgestrahlt wird. Das Publikum, welches rund um die Arena sitzt jedoch, wird zunehmend mehr eingebunden. Schluss mit einseitigem Journalismus, hin zu Dialog.

An die Leser: Was denken Sie, könnte das Angebot des Service Public attraktiver gestalten?

Ein Schlusswort: Rollentausch

Als Abschluss einer spannenden Diskussion vertauscht der Moderator die Rollen von De Weck und Lebrument. Er fragt, was sie in der Haut des jeweils anderen tun würden. Lebrument würde als Generaldirektor SRG zu den Verlagen gehen und diese mehr informieren und miteinbeziehen. De Weck würde dafür sorgen, dass die Interessen der kleinen und mittleren Zeitungen, da wo die grösseren tongebend sind, voll und ganz zur Geltung kommen.

Und Gabriele Siegert, wessen Rolle würde sie gerne einnehmen? „Ich würde mit Doris Leuthard tauschen. Dann würde ich die relevanten Akteure zu einem feinen z’Nacht einladen und an der gemeinsamen Vertrauensbasis arbeiten.“ - G. Siegert.


Text: Cécile-Nadine Kuhn, medienblog@fvpuk.ch
Bilder: Patricia Skirgaila & Nathalie Appenzeller
26. April 2016