Experten: Kohäsion oder verzerrter Wettbewerb?

  08. September 2016
Experten: Kohäsion oder verzerrter Wettbewerb?

Vier Professoren erörterten im Podiumsgespräch die Anforderungen an die SRG – und zeigten die Differenzen in Bezug auf die Bewertung verschiedener Aufgaben, die je nach Standpunkt zum Service public gehören sollen oder nicht, auf.  

Eine nachträgliche Abgeltung von Leistungen des Service public, die den Erfolg berücksichtigt, schwebt dem St.Galler Wirtschaftsrechts-Professor Peter Hettich vor: Service public sei eine Gesellschaftspolitische Angelegenheit, in der man über Leistung und Preise reden müsse. 

Professor Mark Eisenegger dagegen sieht in der SRG einen Sündenbock: Es gehe nicht, dass von Seiten der privaten Medien, die aufgrund der Digitalisierung, sinkender Zahlungsbereitschaft und anderen Gründen in einer vertrackten Lage seien, die SRG zum Hauptproblem stilisiert werde. Dem entgegnete Stephan Russ-Mohl, es könne durchaus sein, dass die hohe Billag-Gebühr die tiefe Zahlungsbereitschaft der Schweizer Medienkonsumenten mitverursache. Und der Professor für Journalismus und Medienmanagement kritisierte gleich auch die vielzitierte Integrationsleistung der SRG, die nur der Service public erbringe: Als Deutscher, der bald Schweizer zu werden hoffe, wage er die Beobachtung, dass die Mundart- und Landessprachensender durchaus mehr tun könnten für eine Eingliederung von Ausländern oder den Zusammenhalt mit den anderen Landesteilen. 

Immerhin, sagte Christian Hoffmann, Professor für Kommunikationsmanagement an der Universität Leipzig, sei man einen Schritt weiter und nicht mehr in einer Konzessionsdebatte. Die Zufriedenheit mit der Leistung der SRG sei relativ hoch, dafür lasse sich nicht abstreiten, dass inzwischen ein Konkurrenzverhältnis zwischen ihr und den Privaten entstanden sei. 

Eisenegger hält die SRG dabei aber für einen Qualitätsbenchmark, zusammen mit Produkten wie Tages Anzeiger und NZZ. Und sie sorge für die Kohäsion bis hin zum Finanzausgleich, indem das Tessin und die Romandie 29 Prozent der Einnahmen brächten, aber 55 Prozent der Ausgaben erhielten, was kein privater Unternehmer leisten könne. 

Für Russ-Mohl liegt genau darin eine der Wettbewerbsverzerrungen – RSI verfüge im Tessin über rund 30 Online-Redaktoren, die grösste private Online-Redaktion umfasse vielleicht vier oder fünf Personen. Hettich sieht das als Folge der einstigen Devise, Vielfalt am besten innerhalb eines grossen Unternehmens herzustellen – “das widerspricht allen meinen Erfahrungen”. Russ-Mohl plädiert für mehr Kooperation der SRG mit den Privaten – allerdings nicht in exklusiven Abkommen wie Admeira mit Ringier und Swisscom, sondern bei sinkenden Budgets für Korrespondeten in den Regionen, und auf diese Art als Lieferant für Kohäsion auch in anderen Medien. Der Freiburger Wirtschaftsprofessor Mark Schelker warf schliesslich auf Einladung von Moderator Peter Hartmeier in die Runde, dass die Diskussion sich nicht so sehr darum drehen sollte, wer den Auftrag erfülle, sondern was der Auftrag umfasse und welche Informationsziele er beinhalten sollte.

Mehr oder weniger einig war man sich auf dem Podium indes darüber, dass der Auftrag an die SRG nicht einfach darin bestehen kann, alles zu produzieren, was sonst keiner im Markt mache. “Das wollen wir wohl auch nicht: Das wäre derzeit weniger als eine Grundversorgung”, sagte Russ-Mohl.

 

Video Wissenschafts-Panel:

Interview Stephan Russ-Mohl:

Weitere Artikel zur Service-public-Konferenz: