Zeitungen, sagte der Vizepräsident des Verbands SCHWEIZER MEDIEN und Tamedia-Verleger Pietro Supino, seien mit Abstand die wichtigste Mediengattung zur Förderung der politischen Prozesse. Bevor man über staatliche Medienförderung nachdenke, sollte man deswegen über die Entlastung der Zeitungsverlage von den hohen Vertriebskosten zu Gunsten der Post reden, mit denen die Strukturkosten des Staatsbetriebs mitfinanziert würden. Denn der Monopolbetrieb sollte diese Dienstleistung im Interesse der Demokratie zu Grenzkosten oder sogar darunter erbringen.
Zuvor hatte Supino klargestellt, dass die Verleger einen öffentlich finanzierten Service public im Medienbereich begrüssen: “Wir sind für den Grundversorgungsauftrag der Post, und wir sind für eine gebührenfinanzierte SRG.” Beides trage zum Zusammenhalt des Landes bei, wie auch die Leistungen der Verleger.
Es gelte allerdings jetzt zu klären, was zum öffentlichen Service public gehöre. Im Bezug auf die SRG stelle sich die Frage, was sie anbieten solle und was nicht. Die Verleger seien für ein komplementäres Angebot und gegen einen Wettbewerb mit öffentlich finanzierten Angeboten. Der führe unweigerlich zu Marktverzerrungen: “Wer investiert schon, wenn er nicht weiss, ob seine Investitionen durch öffentlich subventionierte Angebote unterlaufen werden.“ Das führe zu einem Rückgang des gesamten Angebots – was genau das Gegenteil dessen sei, was mit dem öffentlich finanzierten Service public eigentlich bezweckt werde.
Statt mit dem Privileg der Gebührenfinanzierung zu den Privaten in Konkurrenz zu treten, solle die SRG ein Angebot erstellen, das es nicht gäbe, wenn sie nicht existierte. Tatsächlich sehe die Bundesverfassung mit dem Gebot der Rücksichtnahme auf andere Medien und insbesondere auf die Presse genau das vor: “Wir vermissen aber eine solche Selbstbeschränkung der SRG."
Die Verleger wehrten sich gegen den weiteren Ausbau der SRG und insbesondere des digitalen Angebots, das immer presseähnlicher werde; und schliesslich wehre man sich gegen die Kommerzialisierung der SRG.
Weltweit müssten Medienhäuser ihre Angebote neuen Bedürfnissen anpassen und weiterentwickeln. In der Schweiz sei das bisher gut gelungen; die Summe des Gesamtangebots an Apps, Zeitungen, Radio, Fernsehen und auch der nicht medialen Angebote von Bund, Kantonen und anderen Körperschaften sei so mächtig und so gross wie nie zuvor. “Wir sind stolz auf unsere Zeitungen und unsere digitalen Angebote, wir brauchen keine Medienförderung und sind aus Gründen der Unabhängigkeit dagegen.” Öffentliche Gelder sollten im präkompetitiven Bereich investiert werden, in die Aus- und Weiterbildung und die Forschung fliessen, wie den vorgeschlagenen Lehrstuhl für Medientechnologie an der ETH Zürich.
Die Verleger hätten zugegebenermassen lange gebraucht, aber jetzt seien sie daran, ihre Abomodelle ins Netz zu übertragen und neue Angebote zu entwickeln. Das sei indes unmöglich, wenn die SRG vergleichbare Angebote gratis ins Netz stelle. Deshalb warne Stephan Russ-Mohl vom European Journalism Observatory, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in einem konvergenten Mediensystem zu einer erdrückenden Medienmacht entwickeln könnte, wenn er nicht in seinem Expansionsdrang gebändigt werde.
Einen Auftrag dazu gebe es nicht, sagte Supino: Der Verfassungstext in Artikel 93 stamme aus dem Jahre 1984, als niemand das Internet vorwegnehmen konnte. Die Expansion sei also nicht demokratisch legitimiert, die Behinderung der Privaten führe noch dazu zu weniger Vielfalt in der Medienlandschaft, was dem Gedanken des Service public direkt widerspreche.
Auch im Werbemarkt bereite den Verlegern die Konkurrenz der SRG grosse Sorgen. Gemäss Manuel Puppis, Professor für Mediensysteme an der Universität Freiburg, würde dagegen ein komplettes Werbeverbot Anreize für gewisse Sendungen beseitigen, dem Grundgedanken des Service public entsprechen und die Privaten stärken. Personalisierte Werbung auf Basis der Daten der Gebührenzahler sei das pure Gegenteil; Projekte wie die Zusammenarbeit der SRG mit Swisscom und Ringier im Projekt Admeira bergen die Gefahr, die Marktverzerrungen zu verstärken.
Dennoch: „Aus unserer Sicht sind keine radikalen Änderungen notwendig, es braucht lediglich eine Rückbesinnung der SRG auf die Rolle als öffentliche Institution und die Rücksichtnahme auf die Privaten im Wettbewerb. Das Ziel der SRG sollte weder eine maximale Ausbreitung noch die Rolle als Angelpunkt der Medienlandschaft sein, sondern sie sollte als komplementärer Veranstalter zu einem möglichst reichhaltigen Angebot beitragen.
Statt neuer Regulierungen schwebt Supinio etwas anderes vor: Die SRG als erste nationale Open-Source Journalismus-Institution. Die Privaten erhielten Zugriff auf alle Inhalte der SRG und könnten sie weiter verbreiten. Dadurch wären mehr Menschen zu erreichen, die Schwelle für neue Anbieter im Markt würde gesenkt und die Medienlandschaft würde dynamisiert. “Ein nationales Projekt würde an die Stelle der unproduktiven Grabenkämpfe treten.”
Video Referat Pietro Supino:
Interview Pietro Supino:
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