Service-Public-Konferenz - 7. September 2016 - Hotel Bellevue Palace, Bern
Welche Leistungen soll eine staatlich geförderte Medienunternehmung wie die SRG erbringen? Wie kann verhindert werden, dass ihre Angebote die privatwirtschaftliche Konkurrenz erdrücken? Auf der vom VSM organisierten Konferenz haben namhafte Wirtschafts- und Medienexperten die Definition des Service public vor rund 250 Gästen erörtert.
Eine Open-Source-SRG wünscht sich der designierte Präsident des Verbands SCHWEIZER MEDIEN, Pietro Supino: Der Tamedia-Verleger schlägt vor, die SRG zur Quelle hochwertiger journalistischer Inhalte zu machen, auf die jedermann zugreifen und die alle Medienunternehmen weiterverbreiten könnten. Die Verleger begrüssen laut Supino einen staatlich geförderten Service public im Medienbereich. Aber sie wehren sich gegen die Kommerzialisierung der SRG. Das Unternehmen müsse mit dem Privileg der Gebührenfinanzierung Inhalte herstellen, die es ansonsten nicht gäbe.
Mit Service public kennt sich Ex-Swisscom-CEO Jens Alder bestens aus. Heute ist er VR-Präsident der Goldbach Group AG, und er plädiert dafür, die Unterscheidung zwischen Grundversorgung und Service public zu machen: -Letzteres sei eine zusätzliche, freiwillige Leistung, die auf die vom Staat bestellte und finanzierte Grundversorgung aufgesetzt sei – und dem Unternehmen enorme Statusgewinne als “nationales Unternehmen” verleihe. Dagegen sei nichts einzuwenden, wenn die beiden Geschäftsfelder klar definiert, vom Auftraggeber die Einhaltung kontrolliert und letztlich die von der öffentlichen Hand finanzierten Produkte frei verfügbar gemacht würden.
Grossbritannien hat mit der BBC ein weltweit geachtetes Modell dieser Art geschaffen. Phillip Evans, Vizepräsident der Wettbewerbsbehörde des UK, erklärte, dass dabei just die scharfe Trennung zwischen Kommerz und Service public ein wesentliches Element sei. Die BBC ist im Kernbereich gebührenfinanziert und vollkommen werbefrei. Sie ist aber auch kommerziell erfolgreich und bildet einen Nährboden für eine ganze Medienindustrie, wobei diese Aktivitäten radikal von den gebührenfinanzierten getrennt werden müssen.
Wie unterschiedlich die Auffassungen über die Probleme des Service public selbst unter den Experten der Experten sind, zeigt die Diskussion der Professoren Stephan Russ-Mohl (Università della Svizzera italiana), Mark Eisenegger (fög – Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft, Universität Zürich), Peter Hettich (Universität St. Gallen) und Christian Hoffmann (Universität Leipzig). Während Eisenegger die SRG als Sündenbock der von der Digitalisierung bedrängten Verleger darstellte, sieht Russ-Mohl die Ausdehnung der SRG im Internet als wettbewerbsverzerrend. Hoffmann plädiert für einen Abbau des Konkurrenzdrucks, der entstanden sei, und Hettich hält den Ursprung des Übels in der Idee konzentriert, Vielfalt durch ein grosses Unternehmen schaffen zu wollen.
SRG-Generaldirektor Roger de Weck machte klar, dass die SRG für neue Modelle der Zusammenarbeit offen sei. Das Unternehmen aber zu schwächen oder die Leistung zu beschränken schade dem Service public, denn die SRG müsse das Publikum erreichen, wenn man sich nicht mit einem Spartensender mit 2 Prozent Marktanteil begnügen wolle. Unterhaltungsangebote seien demnach im Falle der SRG vor allem ein Vehikel, um das Publikum zur Informationssendung zu bringen. Selbst die absoluten Zuschauermagnete, das habe auch der Bundesrat festgehalten, seien nicht refinanzierbar. Die SRG biete Hand für Kooperationen mit den Verlegern.
Wo die Politik steht, zeigten Nationalrätin Doris Fiala (FDP), die den Service-public-Auftrag eng definieren, der SRG darüberhinaus aber in einem liberalisierten Markt freie Hand lassen will; Nationalrat Gerhard Pfister (CVP), der davor warnt, sich in kleinlichen Grabenkriegen um ein paar Millionen Gebührengelder zu verlieren, statt den Service public ganz neu zu denken; Nationalrat Gregor Rutz (SVP), der den Leistungsauftrag nicht nur enger, sondern vom Parlament definiert sehen möchte, und Nationalrätin Edith Graf-Litscher (SP), für welche die SRG vor allem als Kohäsionsklammer des Landes wesentlich ist und deswegen so weit von der Politik weg organisiert werden soll wie möglich.
Dossier SERVICE PUBLIC
Anlässlich der Konferenz ist das Dossier «Service public» erschienen, in welchem die Referenten ihre Positionen darlegen. Hier kostenlos herunterladen als PDF
Für weitere Auskünfte steht Ihnen Andreas Häuptli, Geschäftsführer Verband SCHWEIZER MEDIEN, 044 318 64 64, andreas.haeuptli [SECURE E-MAIL - REWRITE MANUALLY] *at* schweizermedien.ch, gerne zur Verfügung.
Ausführlicher Rückblick auf die Referate und Panel-Diskussionen: