Einsicht in Strafbefehle

  22. November 2016

Das Luzerner Kantonsgericht hat Ende Oktober entschieden, dass Medienschaffenden grundsätzlich ein Einsichtsrecht in rechtskräftige Strafbefehle gewährt werden muss. Diesen Entscheid hat das Gericht gefällt, nachdem die Staatsanwaltschaft einem Journalisten der Zentralschweiz am Sonntag (ZAS) die Einsicht in einen Strafbefehl nach mehreren mündlichen und schriftlichen Gesuchen über Monate zu Unrecht verweigert hatte.

Der Entscheid ist richtig und wichtig, denn er verhilft der Durchsetzung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Justizöffentlichkeit (Art. 30 Abs. 3 BV). Gerade bei Strafbefehlen ist nicht nur die „Verhandlung“ – die so gar nicht stattfindet – nicht öffentlich, sondern das Urteil wird auch noch durch die untersuchende Behörde gefällt. Heute werden etwa 85 Prozent der Straffälle durch Strafbefehle und nicht durch Gerichtsverhandlungen abgeschlossen. Das Prinzip der Verfahrenseffizienz wird in der Schweiz also gewichtiger gewertet als die Gewaltentrennung und der Anspruch auf einen unabhängigen Richter. Um eine Kabinettsjustiz vorzubeugen, ist die Kontrollmöglichkeit der Justiz durch die Medien unabdingbar. 

Selbstverständlich entbindet der Öffentlichkeitsgrundsatz Journalisten nicht, im Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Berichterstattung über das Verfahren vorliegen – dies dürfte bei einer Vielzahl von Strafbefehlsverfahren nicht der Fall sein. Schliesslich sind die meisten mit eher geringer krimineller Energie geladen und die Verfahrensgrundsätze seitens der Behörden eingehalten. 

Dr. Mirjam Teitler, Rechtskonsulentin des Verbandes SCHWEIZER MEDIEN