Gilles Marchand: Die Karten auf den Tisch

  17. November 2017
Gilles Marchand: Die Karten auf den Tisch

Klare Definitionen, Transparenz der Interessen und darauf basierende Kooperationen: Nur damit lasse sich der Druck im kleinen Schweizer Medienmarkt reduzieren, sagt der neue SRG-Generaldirektor Gilles Marchand. Die Karten müssten auf den Tisch, verlangte er in seinem auf französisch gehaltenen Referat. Pragmatische, professionelle Lösungen seien gefragt: Der Schweizer Markt sei zu klein und zu divers, als dass sich die Konkurrenz zwischen den Privatsendern, der SRG und den Verlagen im Wettbewerb ausmarchen lasse, erklärte Marchand. 

Die SRG aber könne ihren Auftrag als nationale Klammer nicht ausschliesslich gebührenfinanziert und noch dazu unter stetigem Spardruck wahrnehmen. Ihre Kosten seien höher als die vergleichbarer Veranstalter in Irland, Belgien oder Österreich: Denn in der viersprachigen, föderalen Schweiz sei auch noch die teure, dezentrale Produktion Teil des Service Public. 

Die SRG ihrerseits habe drei Prioritäten: 

  1. Ein viersprachiges Programm-Angebot, auf allen Kanälen: Dort, wo das Publikum ist. 
  2. Die Kulturförderung oder, wie es Marchand nannte, die Re-Investition in Bereiche wie Film, Bühnenkunst und Musik, Bereiche, die für die Identität der Schweiz tragend seien. 
  3. Eine digitale Präsenz: Denn die SRG müsse dem Publikum folgen und das bieten, was es sich wünsche. Das gehe nur mit audio-visuellen Inhalten. 

Der Trend zu «On-Demand» aber zwinge die SRG, als Ersatz für die lineare eben auch digitale Werbung zu schalten. Damit trete sie in direkte Konkurrenz zu den Verlegern. In diesem Spannungsfeld, machte Marchand klar, müssen praxisnahe Lösungen gefunden werden, um die Auswirkungen des Wettbewerbs für alle verkraftbar zu machen.  

Was ist «Online-Werbung»?
Bezüglich «Online-Werbung» müsse man jetzt konkret werden. Das beginne damit, klare Definitionen zu erlassen. Wenn von Online-Werbung – und den Einschränkungen für die SRG – die Rede sei, müsse geklärt werden, ob man von Video-On-Demand, Live-Streaming oder Bannern rede. Der Unterschied zwischen Apps und Websites müsse geklärt, der Begriff «Native Advertising» genau umschrieben und der «Time delay» des Fernsehbilds konkretisiert werden. In diesen Dikussionen müsse von der Theorie auf eine professionelle Ebene gewechselt werden. 

Ihm sei die Kooperation mit privaten Akteuren sehr wichtig, sagte Marchand. 23 Medien aus der Schweiz nutzten seit Oktober das SRG-Angebot, kostenfrei auf alle Info-Videos zuzugreifen. Es gebe also sehr fassbare, konkrete Angebote der SRG, die den Partnern in der Medienlandschaft direkten Nutzen bringen. Es gehe darum, weitere, effiziente und nutzenstiftende Angebote zu identifizieren, «es lohnt sich zweifellos, darüber branchenweit und  auf professioneller Ebene nachzudenken.» 

Möglichkeiten zur Co-Produktion statt Wettbewerb sieht Marchand aber auch bei unabhängigen Produktions-, Kabel- und Telekomgesellschaften, die alle ein Interesse an gutem Content hätten, um Kunden zu gewinnen.  
Druck auf die SRG habe es immer gegeben, sagte Marchand, ein Blick in die Archive zeige beispielsweise den Streit bei der Einführung der TV-Werbung. Heute allerdings sei er, und das nicht erst durch die No-Billag-Initiative, existentiell. Er habe seine Ursache auch in gesellschaftlichen Veränderungen. Der Pay-Per-View- oder Gratismedien-Generation fehle das Verständnis für die solidarische Gebührenfinanzierung. 

In der Medienindustrie bestehe ein Interesse an pragmatischen Lösungen – statt weiterhin branchenintern Theorie-Diskussionen zu führen, sollten die Medien gemeinsam mit den Hochschulen Antworten finden auf die Frage, was der nächste Tsunami, nämlich künstliche Intelligenz, Smart Data und Internet der Dinge für die Medienindustrie bedeute.  

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