Welche Leistungen soll eine staatlich geförderte Medienunternehmung wie die SRG erbringen? Wie kann verhindert werden, dass ihre Angebote die privatwirtschaftliche Konkurrenz erdrücken? Welche Rolle spielt die Post in Bezug auf den medialen Service Public? Auf der vom VSM organisierten Konferenz haben namhafte Wirtschafts- und Medienexperten diese Fragen vor den rund 130 Gästen erörtert.
Begrüssungsrede Pietro Supino
Pietro Supino eröffnete die Service-Public-Konferenz vom 14. November mit einer Begrüssungsrede. Er hiess die rund 130 Teilnehmenden aus der Politik, der Medienbranche, der Wissenschaft und der Verwaltung herzlich willkommen. Der VSM wolle mit dieser Konferenz einen konstruktiven Beitrag zur Diskussion über den medialen Service Public leisten und das Ziel sei es, im Rahmen der Konferenz tragfähige Lösungsansätze für eine dynamische, innovative Schweizer Medienlandschaft auszuarbeiten.
Er plädierte dafür, dass die Politik gute Voraussetzungen für eine dynamische Medienlandschaft setzt, in dem sie die Medienkompetenz in der Bevölkerung, an den Schulen aber auch schon in der Lehrerausbildung fördert. Dieses Engagement sollte dem Bund rund 100 Millionen Franken wert sein.
SRG: Referat Gilles Marchand
Die Verleger hatten sich mehr erhofft: An der zweiten Service-Public-Konferenz des Verbands SCHWEIZER MEDIEN am 14. November in Bern forderte der neue SRG-Generaldirektor Gilles Marchand mehr Transparenz und Kooperationen zwischen Privaten und öffentlich-rechtlichen Medien. Er machte aber keine konkreten Vorschläge, sondern verwies lediglich darauf, dass seit Oktober 2017 immerhin 23 Medien das Angebot nutzten, SRG-Inhalte eins zu eins kostenlos zu übernehmen.
Die SRG komme nicht nur aufgrund der No-Billag-Initiative unter Druck, sondern, wie die Verlage, durch die Gratismentalität der Digitalisierung. Aber wenn das Publikum auf digitale Kanäle wechsle, müsse auch die SRG dort hin – und weiterhin einen Viertel ihrer Mittel mit Werbung, nun aber eben digitaler, erwirtschaften. Das Spannungsfeld der neuen Konkurrenz will Marchand mit konkreten Kooperationen auf professioneller Ebene entschärfen. Dazu müssten zuerst die Interessen auf den Tisch, dann könne man Zusammenarbeitsprojekte entwickeln und allenfalls Einschränkungen für die SRG definieren.
SRG: Referat Peter Wanner
Eine Selbstbeschränkung der SRG tue not, sagte dagegen Peter Wanner, Verleger und Präsidiumsmitglied des Verbands SCHWEIZER MEDIEN. Die No-Billag-Initiative gehe dem Verband zwar zu weit, aber eine Katastrophe wäre ihre Annahme nicht, sagte Wanner. Sie würde die SRG nicht liquidieren, sondern in den Markt entlassen.
Auf jeden Fall sei jetzt aber angezeigt, dass die SRG als grösstes Medienunternehmen der Schweiz sich etwas zurück- und endlich Rücksicht auf die Presse nehme, wie das in der Verfassung stehe. Der Verband fordere einen Werbeverzicht ab 20 Uhr, eine Beschränkung auf die Publikation der linearen Inhalte im Internet und die Öffnung des Werbekonglomerats Admeira zu einer Daten-Plattform für alle Medienhäuser.
Post: Gilbert Bühler und Ulrich Hurni
Forderungen an einen anderen Player im Service Public, nämlich die Post, brachte Gilbert Bühler, CEO der Freiburger Nachrichten, aufs Tapet: Er beklagte die Steigerung des Zustellpreises pro Zeitungsexemplar durch die Post von zwei Rappen pro Exemplar in den letzten Jahren – also sechs Rappen insgesamt – welche die Verleger zusätzlich zum Rückgang des Inseratevolumens zu verkraften hätten – während die Tarife der Briefpost seit zehn Jahren die gleichen blieben.
Ulrich Hurni, Stellvertreter der Konzernleiterin der Schweizerischen Post, begründete Preiserhöhungen mit höheren Kosten durch verlorenes Volumen: Die Post habe keinen Auftrag, die Presse zu fördern. Das Bakom entscheide, wer in den Genuss der indirekten Presseförderung komme, und das sei auch gut so. Die indirekte Presseförderung, wie sie heute funktioniere, sei auch für die Post ein gutes Instrument.
Gilbert Bühler ergänzte, dass die indirekte Presseförderung ein ideales Mittel sei, um die Presse zu unterstützen und der VSM deshalb einem Ausbau der indirekten Presseförderung fordere.
Politik-Panel: Thierry Burkart, Edith Graf-Litscher, Natalie Rickli, Beat Vonlanthen
Die Stimme der Politik repräsentierten vier Mitglieder des Nationalrates. FDP-Nationalrat Thierry Burkart sieht spätestens in der anstehenden Behandlung des neuen Mediengesetzes die Notwendigkeit, den Service Public auf politischer Ebene neu zu definieren. SVP-Medienexpertin Natalie Rickli erklärte, sie wolle eigentlich gar nicht mit der SRG, sondern mit dem Bundesrat über den Service Public sprechen – und ein neues Mediengesetz wolle sie im 21. Jahrhundert schon gar nicht, jetzt gehe es um Deregulierung.
CVP-Nationalrat Beat Vonlanthen warnte vor einem Scherbenhaufen im Falle der Annahme von No-Billag und setzt auf die Öffnung der SRG noch vor der Abstimmung. SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher bekundete Mühe mit dem SRG-Bashing: Der Druck in der Medienlandschaft habe ja nicht nur mit der SRG, sondern vor allem mit der Konkurrenz aus dem Ausland zu tun.
Referat Patrick Zenhäusern
Die Service Public Konferenz 2017 des Verbandes SCHWEIZER MEDIEN war auch der Rahmen für die Vorstellung einer Studie zur Digitalisierung. Im Auftrag des VSM hat das Beratungsunternehmen Polynomics die Struktur eines rein digitalen Medienmarktes Schweiz studiert. Fazit: Es entstünde ein vielseitiges, weil in der Produktion kostengünstigeres Medienangebot. Die Chancen stehen auch in der Zukunft gut, dass private Medienanbieter ihrer Rolle als vierte Gewalt im Staat vollauf gerecht werden.
Fazit
Auch unter dem Druck der No-Billag-Initiative hat die SRG noch keinen entscheidenden Schritt auf die Verleger zu gemacht. Die vom neuen Generaldirektoren Gilles Marchand schon früher verkündeten Kooperationsangebote beziehen sich nicht auf die Konfliktzonen wie beispielsweise der fortschreitenden Kommerzialisierung über Admeira oder den stetigen Ausbau der SRG im Onlinebereich. Der Verband SCHWEIZER MEDIEN fordert eine Selbstbeschränkung ohne dass der Kern der Service-Public-Leistung abgebaut wird. Der VSM ist bereit für Gespräche und hofft in diesen einen Fortschritt zu erreichen.
Mit der Post ist der VSM im Austausch. Obwohl der Streit um die Tarifsetzung noch nicht entschieden ist, haben sich die Parteien zusammengesetzt um über Optimierungspotenzial in der Zusammenarbeit zu sprechen. Der Verband SCHWEIZER MEDIEN ist überzeugt, dass das Erfolgsmodell der indirekten Presseförderung auch für Titel mit grösseren Auflagen und über die Frühzustellung einen bedeutenden Beitrag zur Sicherung der Medienvielfalt beitragen könnte.
Ausführlicher Rückblick auf die Referate und Panel-Diskussionen