Dreikönigstagung: Ansprache des VSM-Präsidenten

  10. Januar 2019
Dreikönigstagung: Ansprache des VSM-Präsidenten

Bun di bun an liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vor zwei Jahren durfte ich Sie zum ersten Mal als Verlegerpräsident zu unserer traditionellen Dreikönigstagung begrüssen.

Damals hatte ich festgestellt, dass die Werbemarktentwicklung grauenhaft war und es keinen Grund gab, von einer Besserung auszugehen.

Auch im Nutzermarkt war absehbar, dass die Ansprüche an uns steigen werden

  • dass die technologische Entwicklung und die Globalisierung unser Leben zwar bereichert, uns am Arbeitsplatz aber herausfordert
  • dass die Wahlmöglichkeiten der Menschen und der Gesellschaft insgesamt zugenommen hatten und weiter zunehmen werden
  • dass wir uns im intensiven Wettbewerb vor allem um die Zeit und die Zahlungsbereitschaft unseres Publikums mehr für seine Bedürfnisse interessieren und diese besser befriedigen müssen.

Daran hat sich nichts geändert, einzig der Druck hat zugenommen. Erfreulicherweise hat die Branche gut darauf reagiert.

Erstens wurde konsequent in die Weiterentwicklung und Digitalisierung des savoir faire investiert. Als Drucker waren wir immer schon technologieaffin.

In den letzten Jahren wurde nun das technologische Knowhow und die digitale Kompetenz auf den Redaktionen und in den Verlagen der Schweizer Medienhäuser ausgebaut.

Nicht wenige Kolleginnen und Kollegen haben Programmieren und den Umgang mit Datenbanken erlernt. Mit diesem Rüstzeug und in Zusammenarbeit mit neu dazugewonnen Spezialisten wird Datenjournalismus und digitales Abomarketing betrieben.

Wir stehen aber immer noch am Anfang einer spannenden Lernkurve. Speziell in dieser Transformationsphase will der Verlegerverband eine hilfreiche Plattform für seine Mitglieder sein - vom Austausch unter Kollegen und mit Fachpersonen bis zu Tagungen wie heute.

Die nächste wichtige Entwicklung wird ein noch besseres Verständnis über den Umgang mit den Daten sein, die wir über unsere Nutzer haben. Damit können wir unsere Angebote verbessern, indem wir sie personalisieren.

Dabei tragen wir eine grosse Verantwortung:

  • zunächst für die Integrität im Umgang mit den Daten unserer Nutzer
  • sodann sollten wir in einer zunehmend fragmentierten Öffentlichkeit nicht nur individuelle Bedürfnisse bedienen – genauso wichtig ist die Pflege eines öffentlichen Raums, wo Themen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung gemeinsam wahrgenommen und debattiert werden können.  

Über die Optimierung unserer digitalen Angebote hinaus ist die Personalisierung ebenfalls hilfreich, um diese besser zu vermarkten und schliesslich auch, um die Qualität der Werbemöglichkeiten auf unseren Plattformen zu verbessern.

Eine essentielle Voraussetzung für die Weiterentwicklung ist, dass wir persönliche Beziehungen zu den vielen Nutzern unserer publizistischen Angebote herstellen können.

Im Nachhinein sind ja alle klüger und wissen, dass es ein historischer Fehler der Verleger war, am Anfang des Internetzeitalters grosse Teile der Wertschöpfung zur freien und anonymen Nutzung zur Verfügung zu stellen.

Denn klassischer Journalismus lässt sich in der digitalen Welt nicht alleine über Werbung finanzieren.

Mit der branchenweiten Initiative einer Login Allianz, die wir im vergangenen September am Swiss Media Forum lanciert haben, wollen wir an diesem für die Zukunft einer reichen Schweizer Medienlandschaft existenziellen Punkt ansetzen.

Nutzerinnen und Nutzer unserer Angebote sollen sich in Zukunft registrieren, wie es bei den marktmächtigen globalen Plattformen üblich ist.

Es geht darum, diesen Standard auch für die Schweizer Medienbranche zu etablieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. In einem zweiten Schritt kann es sinnvoll sein, die technischen Lösungen zu vereinheitlichen. Das ist aber kompliziert und nicht notwendig, um zu starten.

Es ist höchste Zeit und wirklich wichtig, dass die Branche in dieser Frage in den nächsten Monaten konkrete Fortschritte erzielt.

Da es um eine Frage von nationalem Interesse geht, werden auch der eidgenössische Datenschutzbeauftragte und die Wettbewerbskommission in die Lösungsfindung einbezogen.

Neben der angesprochenen Weiterentwicklung und Digitalisierung des savoir faire können wir zweitens positiv festhalten, dass die bewährten Kompetenzen der Medienbranche trotz aller Herausforderungen und entgegen allen Befürchtungen gepflegt werden.

Die mediale Grundversorgung ist so reichhaltig wie noch nie. Der investigative Journalismus erlebt eine Blütezeit. Und das „longform storytelling“ profitiert von neuen multimedialen Möglichkeiten.

Wobei Claas Relotius uns anschaulich in Erinnerung gerufen hat, dass „story telling“ ein ambivalenter Begriff ist.

Zwar scheinen eine ideologische Verortung und vorgefasste Ansichten für gewisse Nischenangebote, für die soziale Anerkennung unter Seinesgleichen und sogar für das Gewinnen von Journalistenpreisen ein erfolgreiches Konzept zu sein.

Aber ich bleibe davon überzeugt, dass Neugierde der Ausgangspunkt unserer Arbeit sein muss.

Fehlerfreiheit, Wahrheit im Sinne der Vollständigkeit, Transparenz insbesondere über die eigenen Interessen sowie Fairness gegenüber von der Berichterstattung betroffenen Personen und Institutionen sind die grundlegenden Qualitätsmerkmale des professionellen journalistischen Handwerks. Daran müssen wir uns orientieren!

Damit können wir uns von propagandistischen Beiträgen und Wahrnehmungsblasen im ausufernden medialen Gesamtangebot unterscheiden.

Damit leisten wir einen Mehrwert für die Gesellschaft und für Menschen, die sich in einer immer komplexeren Welt informieren und orientieren und eine eigene Meinung bilden wollen.

Das ist der Kern unserer verlegerischen Verantwortung – unsere Aufgabe und unsere Chance. Ich bin davon überzeugt, dass es langfristig eine Nachfrage nach unabhängigem Qualitätsjournalismus und eine Zahlungsbereitschaft dafür gibt.

Neueste Erfahrungen mit digitalen Bezahlmodellen bestärken mich in dieser Überzeugung. Lokale Verankerung, Lesernähe, investigativer und datenbasierter Journalismus sowie «Longform»-Journalismus mit der Fähigkeit der sprachlichen und zunehmend multimedialen Umsetzung sind Erfolgsfaktoren. Darauf können wir setzen.

Vor einen Jahr habe ich die Medienkompetenz in den Mittelpunkt meiner Ansprache gestellt. Unsere aufgeklärte Gesellschaft und das Medienangebot stehen in einer Wechselwirkung zueinander.

Damit Bürgerinnen und Bürger das Medienangebot bestimmen können, müssen sie verstehen, wie Medien funktionieren.

Nur so können sie bewusste und freie Entscheidungen treffen. Und nur wenn Mediennutzer die Qualitäten der Angebote beurteilen können, werden sie auch bereit sein, dafür zu bezahlen.

Die Förderung der Medienkompetenz ist die wichtigste, nachhaltigste und vornehmste aller denkbaren Formen der Medienförderung. In den letzten Monaten haben wir gezielt dafür lobbyiert.

Vorderhand hält sich Enthusiasmus der Politiker aber noch in Grenzen. Dafür haben wir unsere eigenen Bemühungen ausgebaut.

In Zusammenarbeit mit der Initative YouNews wollen wir eine Plattform für den Austausch zwischen Journalistinnen / Journalisten und Jugendlichen aufbauen.

Der Ausgangspunkt ist nicht, dass Jugendliche über eine schlechte oder gar keine Medienkompetenz verfügen - sondern dass die Medienkompetenz der Jugendlichen neu und anders ist als die der Erwachsenen.

Es geht nicht darum, Nachhilfeunterricht zu erteilen - sondern Erwachsene und Jugendliche sollen voneinander lernen und sich sowohl in unseren Medienunternehmen als auch an ihren Schulen auf Augenhöhe begegnen.

Die Initiative ist gerade im Wahljahr 2019 spannend und vielversprechend. Sie steht den Erziehungsbehörden und allen interessierten Medienpartnern offen. Ich hoffe sehr, dass wir damit im zentralen Thema der Medienkompetenz einen Schritt weiterkommen.

Wie gesagt, handelt es sich dabei um die wichtigste Rahmenbedingung für eine gute Zukunft des Journalismus.

Ob der Entwurf für ein Gesetz über elektronische Medien auch zu unseren zukünftigen Rahmenbedingungen gehören wird, ist ungewiss.

Dazu ist in der Vernehmlassung eigentlich schon alles gesagt worden. Am Erstaunlichsten bleibt für mich, dass die Gefahr der Manipulation von Bürgerinnen und Bürgern im Internet und im speziellen in den sozialen Medien nicht angesprochen wird.

Das ist darum so erstaunlich, weil es die einzige einleuchtende Erklärung für die Schaffung eines neuen Gesetzes über elektronische Medien wäre. Im Übrigen könnte die Medienordnung problemlos im Rahmen der Revision bestehender Gesetze modernisiert werden.

Es bedarf dafür auch keiner Verfassungsrevision, wie sie jüngst gefordert wurde. Aber wir verschliessen uns der Diskussion darüber nicht.

Unabhängig vom gesetzgeberischen Kleid ist wichtig, weitergehende Wettbewerbsverzerrungen durch gebührenfinanzierte Gratisangebote zu verhindern. Gemäss Bundesverfassung und RTVG sind Radio- und  Fernsehen Bundesangelegenheit und werden mit öffentlichen Gebührengeldern finanziert.

Das hat immer schon zu einer Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der Zeitungen geführt, deren journalistische Grundlagenarbeit oft im weniger tiefschürfenden Radio- und Fernsehangebot weiterverwertet wird. Aber immerhin waren es bisher unterschiedliche Mediengattungen.

Der grösste Unterschied besteht darin, dass Radio und Fernsehen herkömmlicherweise als gebühren- und werbefinanziertes Gratisprogramm dargeboten werden. Zeitungen hingegen bieten eine Auswahl von Beiträgen, die immer schon individuell genutzt wurden.

Die Digitalisierung stellt die Zeitungen nun vor die Herausforderung, die Zahlungsbereitschaft der Leserschaft auf die digitale Nutzerschaft zu übertragen. Offensichtlich würde eine Zulassung der Verwendung von Gebührengeldern für kostenlose elektronische Angebote gleicher Art zu einer massiven, sehr direkten Wettbewerbsverzerrung führen und den Zeitungen samt ihrem digitalen Angebot auf lange Sicht die Existenzgrundlage entziehen.

Das ist aber die Stossrichtung der neuen SRG Konzession und des vorliegenden Entwurfs für ein Gesetz über elektronische Medien. Natürlich sollen Radio- und Fernsehsendungen auch digital und on demand verbreitet und genutzt werden können. Aber Gebührengelder sollten nicht für neue nicht-lineare elektronische Medienangebote eingesetzt werden dürfen.

Denn alle Zeitungen sind auch elektronische Medien und müssten in diesem Fall konsequenterweise den grössten Teil der Gebührengelder erhalten. Aber es besteht ja kein Mangel an Medienangeboten im Internet.

Über 80 % der Bevölkerung nutzt das digitale publizistische Angebot unserer Mitglieder. Bei der Jugend ist die Reichweite sogar noch grösser. Wo kein Mangel herrscht, gibt es auch keinen Grund für staatliche Interventionen und öffentlich finanzierte Medienangebote.

Auf alle Fälle sollten öffentlich finanzierte Inhalte nicht im Wettbewerb zum privaten Angebot sondern im Sinne der Grundversorgung zur allgemeinen Nutzung und Weiterverwendung zur Verfügung stehen. Insofern würden sich im non-linearen Bereich die Funktionen von öffentlich finanzierten Sendern und Keystone SDA annähern.

Soviel zu unserer ersten medienpolitischen Forderung, Wettbewerbsverzerrungen durch neue gebührenfinanzierte Angebote im nicht-linearen Bereich zu verhindern.

Unsere zweite Forderung betrifft die indirekte Presseförderung. Ebenfalls unabhängig vom gesetzgeberischen Kleid, ist wichtig, dass die indirekte Presseförderung für Zeitungen von heute jährlich 30 auf 120 Millionen Franken ausgebaut wird.

Bei aller Dynamik und Faszination für die Digitalisierung sind gedruckte Medien die wichtigste Informationsquelle für die demokratische Meinungsbildung in unserem föderalistischen Land und werden es auf absehbare Zeit bleiben.

Aufgrund der rückläufigen Volumen steigen aber die Vertriebskosten pro Exemplar überproportional, was die Wirtschaftlichkeit des wichtigsten Medienangebots gefährdet.

Dies auch weil die Post aufgrund ihrer Monopolstellung und intransparenten Preisgestaltung bereits in der Ausgangslage sehr hohe Kosten verrechnet. Sie überwälzt damit die Finanzierung ihres Grundversorgungsauftrags auf die Verleger und letztlich die Zeitungsabonnenten.

Dazu läuft ja seit Jahren ein rechtliches Verfahren, in dem die Post bisher in allen Fragen unterlegen ist, das von ihr aber mit juristischen Tricks immer weiter hinausgezögert wird.

Weil alle Zeitungen unter den steigenden Vertriebskosten leiden und weil der Druck auf dem Werbemarkt die grösseren Titel überproportional trifft, sollte die indirekte Presseförderung in Zukunft auch alle Zeitungen und die Frühzustellung umfassen.

Dazu wurde im Verlegerverband ein Interessenausgleich gefunden, und es besteht in weiten Kreisen der Politik sowie auch seitens der SRG Übereinstimmung, dass jetzt dringend gehandelt werden muss!

Der Ausbau der indirekten Presseförderung ist unser grösster und ich denke berechtigter Wunsch für das neue Jahr 2019.

Ich wünsche uns allen gemeinsam, dass wir das erreichen können. Darüber hinaus wünsche ich Ihnen allen je auf ihren unterschiedlichen Wegen viel Glück und Erfolg!

Zum Schluss möchte ich Othmar Fischlin im Namen des Präsidiums und ich denke auch der Mitglieder des Verlegerverbands Schweizer Medien für sein kluges, beherztes und erfolgreiches Wirken sehr herzlich danken!

Er hat die Leitung unseres Medieninstituts zum Jahreswechsel an Marianne Läderach übergeben, die auch das erwähnte wichtige Dossier der Förderung der Medienkompetenz von ihm übernimmt. Herzlich willkommen Marianne Läderach.

Wir verabschieden heute Othmar Fischlin in Anerkennung seiner Verdienste und in Dankbarkeit und wünschen ihm alles Gute für die Zukunft!

9. Januar 2019

Pietro Supino
Präsident Verband SCHWEIZER MEDIEN

Bei Fragen oder Anregungen wenden Sie sich bitte an die Geschäftsstelle Verband SCHWEIZER MEDIEN unter Tel. 044 318 64 64 oder per E-Mail: contact@schweizermedien.ch. Besten Dank.

Bildquelle: Gaëtan Bally, KEYSTONE-SDA-ATS AG