Mögliche Einschränkungen der Medienfreiheit und Corona

  06. April 2020

Medienfreiheit ist unverzichtbar für eine direkte Demokratie wie die Schweiz. Durch die COVID-19-Verordnung 2 wurden Medienschaffende in ihren verfassungsmässigen Grundrechten stark eingeschränkt, beispielsweise im Recht auf Zutritt zu öffentlichen Verhandlungen und somit in ihrer Bewegungsfreiheit. Ist dies verfassungsmässig gerechtfertigt und wie weit dürfen die Grundrechte der Medienschaffenden in Notlagen eingeschränkt werden?

Das Herstellen eines Medienprodukts sowie dessen öffentliche Verbreitung und die zugrundeliegende journalistische Recherche sind grundrechtlich geschützt. Grundrechte können gemäss Art. 36 BV in vier Fällen eingeschränkt werden:

  • Erstens dann, wenn es dafür eine gesetzliche Grundlage gibt, ausser es besteht eine ernste, unmittelbare anders abwehrbare Gefahr (Abs. 1). 
  • Zweitens muss Einschränkungen ein öffentliches Interesse oder der Schutz von Grundrechten Dritter zugrunde liegen (Abs. 2). Dazu gehört nebst anderen auch die Gesundheit. Beim Schutz der Grundrechte Dritter zieht der Gesetzgeber die Grenze zwischen entgegengesetzten Ansprüchen unterschiedlicher Personen.
  • Drittens dann, wenn die Einschränkungen verhältnismässig sind (Abs. 3). Wenn das Ziel einer Massnahme mit einem weniger schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte erreicht werden kann, besteht keine Verhältnismässigkeit. 
  • Viertens muss der Kerngehalt der Grundrechte unangetastet bleiben (Abs. 4). Dazu gehört im Falle der Medien das Zensurverbot.

Zwar enthält die Verordnung schwere Eingriffe in verfassungsmässige Grundrechte, es gibt aber keine Verordnungen, die spezifisch für Medienschaffende und -unternehmen gelten. Laut Prof. em. Dr. Peter Hänni ist dem teilweisen oder vollständigen Ausschluss von Medienschaffenden von öffentlichen Verhandlungen verfassungsrechtlich nichts einzuwenden. Hier fällt eine Interesseabwägung zwischen dem Prinzip der Öffentlichkeit und dem Ansteckungsrisiko dem Gesundheitsschutz zu. Unter Berücksichtigung verschiedenster Faktoren könnten öffentliche Verhandlungen aber übertragen oder verschoben werden.

Alle nicht explizit ausser Kraft gesetzten Regelungen bleiben weiterhin gültig und das heisst konkret: Öffentlichkeitsgesetze von Bund und Kantonen sind weiterhin anwendbar und Behörden können die Herausgabe von Akten nicht unter Verweis auf die Notverordnung verweigern. 

In einem direkt-demokratischen Rechtsstaat wie der Schweiz gehört es zu den Aufgaben der Medien, das gesamte mögliche Recherche-Spektrum auszuschöpfen und auch auf unangenehme Wahrheiten hinzuweisen. Kritik an staatlichen – aktuell bundesrätlichen – Massnahmen ist also weiterhin erlaubt und erforderlich. 

Zum Bericht von Prof. em. Dr. Peter Hänni auf medialex.ch

COVID-19-Verordnung 2