«Nur gemeinsam können wir es schaffen!»
Es ist das grosse Stelldichein der Schweizer Medienbranche: An der Dreikönigstagung des Verbands Schweizer Medien trifft sich seit 21 Jahren die Branche, um sich auf das neue Jahr einzustimmen und die neusten Trends zu erfahren. Die beiden grossen Themen 2020 waren die Suche nach besseren Nutzerdaten und die Erkenntnis, dass man nur gemeinsam die Krise bewältigen kann.
Die grosse Überraschung kam am Ende des Anfangs: Am Schluss seiner Neujahrsrede zum Auftakt der Dreikönigstagung in Zürich liess VSM-Präsident Pietro Supino die Katze aus dem Sack. "Ringier ist ab sofort wieder Mitglied im Verband der Schweizer Medien", verkündete der Verleger und Präsident von TX Group AG stolz. Ringier war 2015 aus dem Verband ausgetreten.
Nach spontanem Applaus der Tagungs-Besucher betrat dann auch Ringier-CEO Marc Walder als Überraschungsgast die Bühne und erklärte die Rückkehr seines Verlages. Der Verlust an Anzeigen-Wertschöpfung betrage über eine Milliarde Franken pro Jahr. Dagegen muss man etwas unternehmen. Walder: "Wir haben grossartige Inhalte. Aber wir brauchen bessere Daten." Um die Herausforderung der Digitalisierung besser bewältigen zu können, müssen die Schweizer Medien zusammenarbeiten. "Wir alle haben die Entwicklung total verschlafen. Wir müssen wenigsten einen Teil der Hoheit der digitalen Plattformen wieder zurückholen. Doch das geht nur, wenn alle bei der die digitale Allianz mitmachen", so der eindringliche Aufruf des Ringier-CEO.
Das Erfolgsgeheimnis der ZEIT
Im nachfolgenden Vortrag gab Dr. Rainer Esser, Geschäftsführer der ZEIT Verlagsgruppe, Einblick in die beeindruckende Erfolgsgeschichte der ZEIT. Sein amüsanter, kluger und abgeklärter Vortrag mit vielen Anekdoten war der Höhepunkt der Dreikönigstagung – und sparte nicht mit feinen Spitzen. Wenn Esser zum Beispiel ins Publikum sah und die Mehrheit der "älteren, gut aussehenden Herren" ansprach. "Wenn sie heute ein Unternehmen erfolgreich führen möchten, dann brauchen Sie junge Leute und viele Frauen. Beides sehe ich nicht im Publikum." Oder wenn er auf das Thema Innovation zu sprechen kam: "Wir haben bei uns bewusst eine Kultur der fortwährender Innovation. Aber das liegt leider nicht im Gen der meisten Verleger." Man müsse den Redaktionen zuhören, von ihnen die guten Ideen abholen. "Das heisst: Es geht nicht ums optimieren. Es geht darum, gute Leute zu holen, ihnen zu vertrauen und viel Neues zu machen. Innovationen geschehen nicht im Controlling!"
Wohin geht die Werbung in Zukunft?
Wohin der Werbemarkt in Zukunft gehen wird, darüber haben sich auf dem Podium Tobias Zehnder, Mitgründer und Partner der Webrepublic AG, Stefan Wabel, Verlagsleiter Schaffhauser Nachrichten, Thomas Schwetje, Head of Marketing und Digital Services Coop und Manfred Kluge, Chairmann der D-A-CH Omnicom Media Group unter der Leitung der Journalistin und Juristin Nadine Jürgensen unterhalten. Die Antworten zu dieser Frage waren nicht ganz klar. Coop gibt zwar noch immer 50 Prozent der Werbung im Print aus. "Aber wir müssen dahingehen, wo unsere Kunden sind, und das ist nun mal die digitale Welt", so Schwetje. Und folgert: «Wenn unsere Budgets nicht grösser werden, müssen wir an anderen Orten reduzieren.»
Manfred Kluge ist der Meinung, dass die Branche agiler werden muss. "Wir müssen weg von der klassischen Jahresplanung. Und auch weg von starren Tarifen. Wir brauchen mehr Flexibilität in der Vermarktung."
Und Digital-Experte Tobias Zehnder gab zu: "Es fehlt an digitaler Kompetenz an allen Enden. Wir müssen da massiv investieren – auf Kunden- und Agenturseite. Und die Medien müssen Dinge neu denken."
Dass Medien das auch können, bewies der Verlagsleiter der Schaffhauser Nachrichten gleich sofort. Stefan Wabel verriet das neue Konzept der überregionalen Berichterstattung der Schaffhauser Nachrichten: «Es wird keine Grundstruktur mit Ausland, Inland, Wirtschaft mehr geben. Dafür machen wir eine News-Doppelseite mit dem Wichtigsten und schaffen so Platz für Einordnung, Analysen und dem regionalen Bezug der weltweiten Themen». Einig waren sich aber alle auf dem Podium: Die beste Zeit wird erst noch kommen.
Was bedeutet Qualitätsjournalismus?
Ob und wie die Publizistik mit dem Medienwandel mithalten kann, war das Thema des Podiumsgesprächs mit Keystone-SDA-Chefredaktorin Nicole Meier, Martin Oswald, Leiter Digitale Transformation CH Media und Martina Fehr, die im Mai den Posten als neue MAZ-Direktorin antritt.
Martin Oswald betonte die Frage nach der Qualität: "Wir müssen über den Qualitätsbegriff reden. Da glauben alle zu wissen, was das bedeutet. Aber dem ist nicht so. Wir müssen noch viel darüber lernen, wofür die Leser auch wirklich bezahlen würden. Das kann noch zu grossen Überraschungen führen."
Für Martina Fehr ist klar: "Journalismus ist in erster Linie ein solides Handwerk. Und wenn ich das beherrsche, ist der Kanal eigentlich egal. Aber natürlich muss man auch die aktuellsten Kanäle kennenlernen, um den Anschluss nicht zu verlieren." SDA-Chefin Nicole Meier gab gleich einen Vorschlag: "Lasst uns doch den Knochenjob der täglichen Berichterstattung machen. So habt Ihr Verleger mehr Ressourcen für Eigenleistungen, für die die grossen Geschichten."
Print für den Erfolg im Hirn
Abgeschlossen wurde der informative Dreikönigs-Vormittag von aufschlussreichen Erkenntnissen aus der Hirnforschung, die bei vielen der Gäste ein Aha-Erlebnisse bot. Der Diplom-Psychologe und Experte für Hirnforschung Dr. Hans-Georg Häusel erklärte in seinem launigen Vortrag die Wirkung und Stellenwert von Print aus Sicht des Gehirns. Seine wissenschaftliche Erkenntnis war klar und freute wohl viele im Publikum: "Wenn es darum geht, eine Marke erfolgreich aufzubauen, dann kommt nur Print in Frage!"
Jean-Pierre Ritler
Weitere Links zur Dreikönigstagung 2020:
Bildergalerie Dreikönigstagung 2020
© KEYSTONE-SDA / Gaëtan Bally