Ansprache des VSM-Präsidenten Dr. Pietro Supino anlässlich der Dreikönigstagung vom 6.1.2021
Bun di bun an liebe Kolleginnen und Kollegen
Als erstes möchte ich Andreas Häuptli, Marianne Läderach und dem ganzen Team des Verlegerverbands sowie unserem Gastgeber Hugo Bigi ein grosses Kompliment dafür machen und danken, dass wir unsere Dreikönigstagung durchführen können – zwar in ungewohntem Rahmen, aber immerhin! Es ist wertvoll und wichtig, dass wir trotz der speziellen Umstände in Kontakt bleiben und den Austausch pflegen.
Im Moment beschäftigen wir uns in der Schweiz und in der Branche vor allem mit der aktuellen Krise und mit uns selber. Inspiriert durch einen Artikel im Economist habe ich über die Festtage an den arabischen Frühling vor 10 Jahren zurückgedacht.
Am 17. Dezember 2010 hatte sich der von der Polizei gedemütigte Gemüsehändler Mohamed Bouazizi in Sidi Bouzid selber angezündet. In der Folge kam es zunächst in Tunesien zu Protesten gegen die Staatgewalt. In den nächsten Monaten breitete sich die Protestwelle über viele Länder im Nahen Osten und in Nordafrika aus.
Es war eine hoffnungsvolle Zeit. Leider ist nicht viel von der Hoffnung übriggeblieben. Am ehesten vielleicht in Bouazizis Heimatland Tunesien. Der arabische Frühling war nur dank neuer Telecom-Infrastrukturen und der sozialen Medien möglich. Die neuen Technologien und innovativen Applikationen hatten ein fantastisches Potential für die Demokratisierung der Welt eröffnet.
Leider müssen wir zehn Jahre später feststellen, dass das Potential der sozialen Medien bis heute nicht nachhaltig genutzt werden konnte. Vielmehr sind die sozialen Medien zu einer Gefahr für demokratische Gesellschaften geworden. Dass sie den gesamtgesellschaftlichen Diskurs untergraben, liegt in der Natur der Sache. Noch schlimmer ist, dass sie nicht selten zur aktiven Manipulation missbraucht werden.
Dass diese Gefahr im Entwurf für ein Gesetz über elektronische Medien (2018, BR Leuthard) nicht einmal angesprochen wurde, war für mich das Unverständlichste an dem insgesamt missglückten Vorhaben. Es ist gut und wichtig, dass Nationalrat Martin Bäumle das Thema „Digitale Desinformation – eine unterschätzte Gefahr?“ Ende Dezember zum Gegenstand einer Interpellation gemacht hat.
Indem sie Trittbrett fahren und den digitalen Werbemarkt dominieren, gefährden soziale Medien auch das Geschäftsmodell von Medienunternehmen, die in seriösen Journalismus investieren. Durch ihre Missachtung von Standards eröffnen sie aber auch Chancen für jene, die sich an den Regeln des Handwerks orientieren. Das ist nach meiner Überzeugung die einzige Chance, die wir als Verleger haben.
Damit einher geht unser langfristig wichtigstes medienpolitisches Anliegen: die Förderung der Medienkompetenz. Das war bereits vor drei Jahren mein Hauptthema an der Dreikönigstagung im Januar 2018: dass die Förderung der Medienkompetenz die nachhaltigste und die nobelste Form der Medienförderung ist.
Im November 2017 hatte ich an der Service Public Tagung geäussert, dass der Bund 100 Millionen Franken in die Förderung der Medienkompetenz und in die Forschung im Medienbereich investieren sollte.
Das Stärken der Infrastruktur und Hilfe zur Selbsthilfe sind besser und nachhaltiger, als Fördergelder an Medienunternehmen zu zahlen und damit unvermeidlich die Unabhängigkeit des Mediensystems zu gefährden.
Positiv ist, dass die Branche nicht auf die Politik gewartet hat. Mit unserer Initiative für das Media Technology Center an der ETH haben wir den Grundstein dafür gelegt, dass unser Land ein führender Standort auf diesem Gebiet werden kann. Ich garantiere Ihnen, dass wir in zehn Jahren mit Stolz darauf blicken und erheblich davon profitiert haben werden.
Mit unserem Lehrmittel „Lesen macht gross“ investiert der Verlegerverband seit über 20 Jahren in die Medienkompetenz. 2019 haben wir den Startschuss gegeben, ein neues, auf den Lehrplan 21 ausgerichtetes Angebot zu schaffen. Das Projekt unter der Führung der Leiterin unseres Medieninstituts Marianne Läderach ist weit fortgeschritten. Nach einem Soft-Launch im Herbst 2020 folgt in den nächsten Wochen die eigentliche Lancierung des E-Learning-Angebots mit Modulen zur Arbeitsweise im professionellen Journalismus und zu Fake News. Mehr Informationen dazu finden sind unter was-lese-ich.ch.
Ich denke, dass wir stolz sein können auf unser langfristig ausgerichtetes Engagement für den Medienstandort Schweiz.
Stolz sein können wir auch auf die Nachfolgeregelung für unseren Geschäftsführer Andreas Häuptli. Ich bedaure sehr, dass er uns im Frühling verlassen wird und möchte ihm bereits an dieser Stelle im Namen des Präsidiums und unserer Mitglieder sehr herzlich für sein umsichtiges und erfolgreiches Wirken danken!
Andreas Häuptli ist als Verlagsfachmann zu uns gestossen. Er hat Führungsqualitäten bewiesen und den Verband modernisiert. Er hat uns auch auf eine steile Lernkurve auf dem Gebiet der Medienpolitik geführt. Und vielleicht am Wichtigsten: Er wird uns als professioneller, ehrlicher und liebenswürdiger Kollege in guter Erinnerung bleiben.
Das kann ich entspannt sagen, weil wir in der Person von Stefan Wabel einen idealen Nachfolger gewinnen konnten. Es war für mich persönlich motivierend, dass wir hervorragende Kandidatinnen und Kandidaten und die Qual der Wahl hatten. Die Bewerbungsgespräche habe ich als echte Bereicherung empfunden. Am Ende haben wir uns für Stefan Wabel entschieden. Er verfügt über einen soliden Werdegang in unserer Branche, und er hat uns mit seinem „feu sacré“ für unsere Sache begeistert. Dazu passt, dass er sich bereits seit vielen Jahren in unserem Verband eingebracht hat.
Er ist hier und wird sich gleich selber vorstellen. Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit wünsche Ihnen viel Glück und Erfolg im neuen Jahr!
Es gilt das gesprochene Wort. Das Video der Tagung kann hier abgerufen werden.