Medienpaket: Das Interview mit Mitte-Ständerat Stefan Engler

  19. Januar 2022
Medienpaket: Das Interview mit Mitte-Ständerat Stefan Engler

Das Parlament befürwortet mit deutlicher Mehrheit das Medienpaket. Mitte-Ständerat Stefan Engler (GR) erklärt die Wichtigkeit des Pakets für die direkte Demokratie in der Schweiz.

Herr Engler, Sie haben sich als Präsident der vorberatenden Kommission im Ständerat stark für das Medienpaket eingesetzt. Weshalb dieser Effort?
Stefan Engler: Weil ich davon überzeugt bin, dass eine vielfältige Medienlandschaft mit publizistischer Vielfalt und eigenständigen Blättern unserem vielsprachigen Land und einer lebendigen Demokratie dient.

Wieso sollen denn jetzt Zeitungen, Radios und Onlinemedien gefördert werden? Andere Branchen hätten auch Hilfe nötig, etwa die durch Corona gebeutelte Gastronomie.
Die werbefinanzierten Zeitungen sind in Bedrängnis. Von einem Scherbenhaufen könnten ausländische Technologiekonzerne und finanzstarke Unternehmen als neue Meinungsmacher profitieren. Was darunter leiden würde, wären die Meinungsvielfalt, die regionale und ausgewogene Berichterstattung sowie der Qualitätsjournalismus. Deshalb Ja zu einer befristeten Hilfe für die Medien und Ja für COVID-bedingte Härtefallmassnahmen für Unternehmungen.

Sie konnten erreichen, dass nicht nur die Postzustellung der Zeitungen stärker verbilligt, sondern auch die Frühzustellung mit 40 Millionen pro Jahr gefördert wird. Weshalb war Ihnen dies so wichtig?
Die Ermässigung der Zustellpreise für die Tageszeitungen, auch die der Frühzustellung, sind Massnahmen der indirekten Presseförderung. Sie liegen im Interesse der Zeitungsabonnenten und -abonnentinnen und der Zeitungsverlage, weil so die flächendeckende Verteilung von Zeitungen und Zeitschriften sichergestellt werden kann.

Man hört bei Politikern, Wirtschaftsverbänden und anderen Entscheidungsträgern immer wieder, die Zeitungsförderung sei veraltet. Man müsse nicht in alte Technologien, sondern vor allem in die neuen Medien investieren. Weshalb setzt diese Vorlage noch immer auf gedruckte Zeitungen?
Die Zeitungen wie auch das gedruckte Buch haben ein längeres Leben als diesen vielfach prophezeit wurde. Auf Knopfdruck jedenfalls verschwinden die Zeitungen nicht, im Gegenteil: Noch immer ist die Zeitung das meistgenutzte Medium der Schweiz – vor TV, Radio und Onlinemedien. Ich gehöre zu jenen, die Artikel aus Zeitungen sammeln. Digital würde ich sie überlesen. Allerdings berücksichtigt das Medienpaket, dass ein Wandel in der Mediennutzung stattfindet. Neu werden auch Onlinemedien und Nachrichtenportale gefördert.

Gewisse bürgerliche Politiker im Parlament argumentieren, sie wären schon für die Zeitungsförderung, würden aber Gelder für Onlinemedien ablehnen. Die Vorlage sei überladen. Hätte man diese nicht schlanker gestalten können?
Man kann nicht glaubwürdig mit dem Wert der Medienvielfalt als Fördermotiv argumentieren und gleichzeitig die neuen Technologien unbeachtet lassen. Auch im Digitalen gilt es, mit Starthilfen zu verhindern, dass grosse Häuser den ganzen Markt abdecken und für regionale Nischenplayer kein Platz mehr bleibt.

Die Gegner der Vorlage behaupten, es würden Milliardenbeträge an reiche Grossverleger fliessen, welche bereits satte Gewinne einfahren würden. Ist das richtig?
Das gehört zu den schwierigeren Fragen, weshalb es eine staatliche Medienförderung braucht. Grossverlage verdienen ihr Geld heute durch unterschiedliche Aktivitäten, aber nicht mehr mit Journalismus. Dabei erlaubt es die Wirtschaftsfreiheit, Unternehmungen, rentable Geschäftszweige von nicht rentablen abzugrenzen. Entscheidender ist wohl, dass viele regionale und auch kleine Medienhäuser ums Überleben kämpfen. Ihnen soll geholfen werden und diesen nützt das Gegenargument, einzelne grosse Verlage hätten die Hilfe nicht nötig, nicht.

Es wird auch gesagt, die Medienförderung würde zu «Staatsmedien» führen, welche sich künftig nicht mehr kritisch über die Behörden äusserten, weil ihnen sonst das Geld wieder gestrichen würde. Ist da etwas dran?
Nein. Maulkörbe für Medien haben in einer aufgeklärten Demokratie keinen Platz. Mainstream-Denken und Konformismus in der Berichterstattung haben deshalb mehr mit fehlender journalistischer Qualität und fehlender Eigenständigkeit zu tun. Das Medienpaket stärkt also vielmehr die Unabhängigkeit der Medien, da es die journalistische Qualität fördert.

Der Fokus der Kritiker liegt wie gesagt auf den Geldern für Presse, Radio/TV und Onlinemedien. Es wird aber auch in die Journalismusausbildung und in den Presserat investiert. Wieso spricht niemand davon?
Leider ist es so, dass diese wichtige Unterstützung bisher praktisch nicht erwähnt wurde. Dabei ist gerade die Unterstützung für die Journalismusausbildung, die Nachrichtenagentur SDA-Keystone und den Presserat ein ganz wichtiges Element, da diese der gesamten Medienbranche hilft. Auch über die neuen Möglichkeiten für die beim Publikum beliebten regionalen Radio- und Fernsehstationen redet kaum jemand. Obwohl diese in ihren Regionen einen ganz wichtigen Service public erbringen.

Das Medienpaket ist auf sieben Jahre befristet. Was kommt danach?
Das Medienpaket ist als befristete Überbrückungshilfe für den Journalismus zu verstehen, die insbesondere kleineren und mittleren Verlage wichtige Investitionen ermöglicht. Die Erwartung ist die, dass die Medien die sieben Jahre nutzen und ihre Geschäftsmodelle so weiterentwickeln, dass sie weitgehend eigenwirtschaftlich funktionieren. Dass auch dann Zustellermässigungen für Zeitungen erforderlich sind, will man sich eine vielfältige und vor allem regionale Presselandschaft leisten, damit rechne ich.

Was passiert bei einem Nein am 13. Februar 2022? Gibt es dann eine abgespeckte Version des Medienpakets?
Jedenfalls entstünde ein beträchtlicher Scherbenhaufen, und ich würde nicht darauf zählen, dass die Politik diesen auf die Schnelle zusammenkehren kann. Die Zukunft der Medienförderung in der Schweiz wäre bei einem Nein höchst ungewiss, die Informationsversorgung und die demokratierelevante Funktion der Medien bliebe akut gefährdet.


Zur Person: Stefan Engler
Der Bündner Ständerat Stefan Engler (61) präsidierte die ständerätliche Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF-S), die das Medienpaket vorberaten hat. Der Rechtsanwalt war von 1999 bis 2010 Bündner Regierungsrat und später Präsident der CVP Graubünden. Er ist ausserdem Verwaltungsratspräsident der Rhätischen Bahn (RhB).

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